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Im Namen des Mannes

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Wer gehört zu wem? Foto: Jörg Schulz - Fotolia.com

Mich interessieren ja gerne die kleinen, abseitigen Themen. Zum Beispiel die Sache mit den Nachnamen. Die Süddeutsche Zeitung Emma hatte anlässlich des eheschließungsbedingten Nachnamenwechsels von Bundesministerin Kristina Köhler, inzwischen Schröder, bei einigen Standesämtern nachgefragt, wie sich Ehepaare diesbezüglich heute entscheiden. Mit einem – wie ich finde – ziemlich krassen Ergebnis: 80 Prozent wählen den Namen des Mannes als Ehenamen, nur ganze 5 Prozent den Namen der Frau. Bei den übrigen 15 Prozent, so vermute ich mal, behalten beide ihren eigenen Namen.

Offensichtlich gehört die Wahl des Ehenamens zu den Bereichen, in denen sich traditionelle Geschlechterunterschiede besonders hartnäckig halten. Immerhin wurde das Namensrecht schon 1991, also vor fast zwanzig Jahren “gleichberechtigt” umgestaltet. Aber so rechten Gebrauch davon macht offenbar auch heute noch kaum jemand.

Mich beschäftigt das Thema schon lange – sowohl aus persönlichen wie auch aus professionellen Gründen. Ich habe zum ersten Mal 1984 geheiratet, also noch unter patriarchalem Namensrecht, und war deshalb gezwungen, einen dieser hässlichen Doppelnamen Schrupp-Irgendwas zu tragen. Ich erinnere mich noch daran, wie empört ich war, als ich am Standesamt zunächst den Namen meines Mannes annehmen musste, und erst anschließend in einem weiteren Formular (das ich mit “Irgendwas” unterschreiben musste) meinen eigenen Namen wieder voranstellen konnte. Aber auch das “Schrupp-Irgendwas” wollte mir einfach nicht über die Lippen, und so nannte ich mich einfach weiterhin nach meinem Geburtsnamen. Seither kann mir keine mehr erzählen, es wäre bedeutungslos und ein Klacks, den eigenen Namen abzugeben.

Nicht, dass ich meinen Namen besonders schön finde, er hatte meine ganze Kindheit und Jugend hindurch Anlass zu mannigfaltigen Verhohnepiepelungen gegeben. Aber es war halt meiner. Ich fühlte mich nicht wohl dabei, plötzlich anders zu heißen, Liebe hin oder her. Meine nächsten beiden Hochzeiten spielten sich glücklicherweise nach 1991 ab, und um nichts in der Welt hätte ich nochmal meinen Namen hergegeben.

Aber auch als Wissenschaftlerin, die über weibliche politische Ideengeschichte forscht, bin ich von der Namenswechselei der Frauen genervt. Alle paar Jahre heißen sie anders – und da soll man vernünftig anhand von Quellen die Entwicklung ihres Denkens nachverfolgen! Mehrfach ist es mir passiert, dass ich erst nach Jahren zufällig darauf kam, dass es sich bei Frau X aus 1850 und Frau Y aus 1870 in Wahrheit um ein und dieselbe Person handelte!

Und deshalb frage ich mich schon, warum heute immer noch so viele junge Frauen (also die aus der Generation “Wir-sind-doch-längst-gleichberechtigt”) ihren Geburtsnamen aufgeben, wenn sie heiraten.

In meinem persönlichen Umfeld habe ich bereits die ein oder andere Umfrage dazu gestartet. In der Regel ist diese Nachfrage den betroffenen Frauen peinlich, da sie sich selbst als emanzipiert verstehen. Kaum eine Frau sagt heute noch, dass sie es normal findet, wenn sich Frauen hier den Männern unterordnen, und dass es eben der natürliche Gang der Dinge sei, als Frau den Namen des Mannes anzunehmen. Also wird die Entscheidung rationalisiert:

Glück haben diejenigen, bei denen der Name des Mannes eindeutig schöner ist als der eigene: Sie können halbwegs plausibel behaupten, dass sie aus rein ästhetischen Gründen so entschieden hätten. Die anderen sagen meistens, das Thema sei ihnen nicht wichtig genug, um darüber einen Streit anzufangen. Auf die Frage, warum sie dann nicht ihren eigenen Namen behalten und auf einen gemeinsamen Ehenamen verzichten, antworten sie, dass ihnen dieses Zusammengehörigkeitssymbol eines gemeinsamen Namens wichtig sei. Vor allem bei denjenigen, die sich Kinder wünschen, ist das oft ein ausschlaggebendes Argument: Sie wollen, dass die Kinder genauso heißen wie sie selbst.

Dass das nur geht, wenn sie den Namen des Mannes annehmen, scheint dabei quasi ein Naturgesetz zu sein. Und mit diesem Eindruck haben die Frauen vermutlich sogar recht. Denn meine persönliche Untersuchung darüber, welchen Nachnamen die Kinder bekommen, wenn die Eheleute jeweils den eigenen Namen behalten, ergibt ein sattes 100-Prozent-Ergebnis: Ich kenne kein einziges Paar, bei dem die Kinder dann den Namen der Mutter tragen. In ausnahmslos allen mir bekannten Fällen haben die Kinder den Namen des Vaters. (Und in jedem Einzelfall gibt es dafür höchst gewichtige Gründe, die natürlich nichts mit dem Geschlecht zu tun haben :))

Diesbezüglich hatte ich mal ein sehr interessantes Gespräch mit einem jungen Praktikanten, der den Namen seiner Frau angenommen hatte, weil sie beide einen gemeinsamen Namen für sich und die Kinder wollten. Er erzählte mir, auf wie großes Unverständnis in seiner Familie, aber auch bei Bekannten diese Entscheidung gestoßen war, und zwar vor allem im Hinblick auf den Nachwuchs: Offenbar ist es das größte Tabu, das ein Mann heute noch brechen kann, wenn er nicht dafür sorgt, dass der Name seines Vaters an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird.

Ich denke auch tatsächlich, dass in dieser väterlichen Genealogie der eigentliche Knackpunkt des Themas liegt: Das reformierte Namensrecht hat dazu geführt, dass Frauen ihren eigenen Namen behalten dürfen. Was sie aber nach wie vor nicht dürfen, das ist, den eigenen Namen an ihre Kinder weitergeben. Und das ist womöglich der Grund, warum so viele von ihnen bei der Eheschließung nicht ihren eigenen Namen behalten: Weil sie nur so verhindern können, dass ihre Kinder einmal anders heißen als sie selbst.

Dass es sich hierbei um ein Tabuthema handelt, schließe ich auch daraus, dass es dazu keinerlei statistische Untersuchungen gibt (meines Wissens). Schon die Wahl des Ehenamens ist ja überhaupt nicht bundesweit erfasst, erst recht gibt es keine Zahlen über die Namensweitergabe an die Kinder.

Viele Frauen, die ich zu diesem Thema in eine Diskussion verwickelt habe, betonen an dieser Stelle, dass das Ganze doch nicht so wichtig sei. Manche sehen in dem so sehr starken Wunsch des Mannes, den eigenen Geburtsnamen an die Kinder weiterzugeben, sogar ein Zeichen dafür, dass er sich ganz besonders für die Familie verantwortlich fühlt – was durchaus sein mag, aber das ist natürlich exakt die alte, patriarchale Bedeutung von männlicher Verantwortung.

Es sei doch nur ein Name, beschwichtigen mich dann meine Gesprächspartnerinnen. Und wenn schon Streit, dann doch lieber über wichtigere, handfestere Dinge. Über die Verteilung der Hausarbeit oder Absprachen bei der jeweiligen Berufs- und Karriereplanung.

Das ist sicher richtig. Und die übergroße Wichtigkeit, die viele Männer dem Namensthema offenbar zumessen, sollte vielleicht auch tatsächlich nicht der Maßstab sein.

Eine Frage bleibt für mich aber dennoch: Wenn die Frauen sagen “Ich liebe doch meinen Mann, also kann ich doch ihm zuliebe auf meinen Namen verzichten” – was sagt das dann über die Liebe der Männer zu den Frauen aus? Oder anders gesagt: Verzichten viele Frauen an dieser Stelle vielleicht nicht so sehr aus Großherzigkeit als vielmehr aus Angst, es könnte sich herausstellen, dass es mit der Liebe auf der anderen Seite dann doch nicht so weit her ist? Wenn es hart auf hart kommt?



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